Die Geschichte und der Erfolg der hierzulande regelrecht legendären und immens beliebten MotU-Hörspiele nahmen ihren Anfang im Jahre 1984. Doch beginnen wir zunächst mit den Machern im Hintergrund. Die Firma Miller International Schallplatten GmbH entstand bereits 1965 und wurde gegründet von David Miller, Dr. Wilhelm Wille und Dr. Andreas Beurmann. Ihren Sitz siedelten sie in Quickborn bei Hamburg an, damit war das Label EUROPA geboren und der Grundstein für eine in der Branche wahrhafte Erfolgsgeschichte wurde gelegt.
Zunächst umfasste das Angebot nur Sprachkurse, Klassik und Unterhaltungsmusik. Kurz darauf aber entstand auch bereits eine LP mit Lesungen von Märchen der Gebrüder Grimm. Im Jahre 1973 dann lernte Dr. Beurmann eine Juristin kennen, die sich ans Regiepult setzte: Heikedine Körting, deren bloßer Name heutzutage schon ein Begriff für jeden Hsp-Freund ist. Ab diesem Zeitpunkt produzierten beide zusammen unermüdlich neue Hörspiele, darunter solch zeitlose Klassiker wie "Hui-Buh das Schlossgespenst" (welches sogar verfilmt wird), diverse Karl May Abenteuer oder später ihren wohl größten und anhaltendsten Erfolg: "Die drei Fragezeichen". Daraufhin erfolgte 1985 der Eintrag ins Guinness-Buch der Rekorde: über 1200 Hörspiele waren in den vergangenen zwölf Jahren unter ihrer Regie entstanden! Darunter natürlich auch die Reihe Masters of the Universe!
Die Geschichten
Wie bereits erwähnt, erwarb EUROPA die Lizenz für die Abenteuer auf dem fernen Planeten Eternia ein Jahr vorher, also 1984. Zu dieser Zeit waren in den USA die Masters of the Universe durch den Cartoon bereits auf ihrem Höhepunkt angelangt. In Deutschland hingegen sollte es erst jetzt so richtig losgehen! Die ersten Figuren gab es bereits im Handel, zudem erschien vom Interpart Verlag (alias der berühmt-berüchtigte Condor Verlag, heute ConPart) eine brandneue Comic Reihe auf dem Markt. Es war also genau der richtige Zeitpunkt, um die Vermarktung von He-Man & Co. auch durch Hörspiele ordentlich anzukurbeln.
Unter der Regie von Märchenkönigin Heikedine Körting und der künstlerischen Gesamtleitung von Dr. Beurmann entstanden zunächst 5 Folgen. Der bereits durch seine "Gruselserie" bekannte Autor H.G. Francis schuf dabei sehr phantasievolle Geschichten, die sich anfangs noch sehr an die frühen Versionen des MotU Plots orientierten. Genau genommen war es gewissermaßen eine Mischung aus dem ursprünglichen "Vor-Cartoon" und dem heute als offiziell geltendem Plot. Das lag in erster Linie daran, dass Francis damals so gut wie keine genauen Informationen zur Spielzeugserie vorlagen und er nur mit Bruchstücken des Plots vertraut gemacht wurde.
So gab es einerseits bereits Prinz Adam, der die wahre Identität des He-Man darstellte und sich mit Hilfe des Zauberschwertes verwandeln konnte, doch andererseits war Teela z.B. noch die "Herrin" von Eternia und hatte damit eine weit wichtigere Rolle zu spielen als im Zeichentrick (und auch den späteren Hsp-Folgen). Statt der heute bekannteren Zauberin stand He-Man noch der Geist von Castle Grayskull zur Seite. Dieser wurde im Lauf der Zeit mit einer weiblichen Stimme versehen, welche dann schließlich endgültig zur Frau im Vogelkostüm wurde. Und auch Zoar wurde erst später zur Vogelgestalt der Zauberin. Ein fliessender Übergang also. Einen Vorwurf kann man dem Autoren nicht machen, da die Quellen zu dem Zeitpunkt einfach zu widersprüchlich waren und sich die Gesamtstory noch im Umbruch befand. Zudem gab es auch den Cartoon - der alles gewissermaßen neu eingeleitet hatte - ja noch gar nicht im deutschen TV. Möglicherweise war man sogar bei Mattel USA noch nicht ganz schlüssig, welche bislang bekannten Elemente man für die neue offizielle Hintergrundstory übernehmen und welche wie umgestalten wollte.
Dies war mitunter wohl ein Grund, dass EUROPA und damit Francis einen ziemlich breiten Handlungsspielraum zur Verfügung hatte. Zwar bekamen sie wohl grobe Richtlinien und Beschreibungen vorgesetzt, doch sie konnten auch völlig neue Charaktere erfinden und vorhandenen Figuren eine selbst erdachte Geschichte geben. Diese musste dann auch nicht zwangsläufig "offiziell" sein und sich mit anderen oder früheren Geschichten aus Comics oder Cartoon decken. Trap Jaw ist dabei das vielleicht bekannteste Paradebeispiel. Um einer generellen Verwirrung im Nachhinein vorzubeugen, kann man heute die Geschichten grob trennen in die europäische und die US Fassung. Denn selbst als die Änderungen im Laufe der Hörspielreihe eingetreten waren, stimmte so einiges nicht überein mit anderen Geschichten. In den in Europa entstandenen Geschichten kämpften Skeletor und Hordak z.B. generell zusammen, in den Plots aus den USA waren sie aber im Normalfall selbst bitter verfeindet.
Mattel Deutschland hatte sich eigens einige Feinheiten ausgetüftelt, so lassen sich z.B. Bezeichnungen wie "Burg Drachenstein" oder "Burg der Zeitlosen" erklären. Diese kamen nur in den deutschen Geschichten und natürlich auch Hörspielen vor.
Zu den Gemeinsamkeiten der Geschichten innerhalb Europas zählten auch Details wie die Eisigen Zwerge, welche sowohl in den Hörspielen (Folge 15 "Die lachende Brücke") als auch in den britischen Ladybird Büchern (Wings of Doom) vorkamen (von denen sechs Stück auch in Deutschland erschienen). Ohnehin fällt auf, dass manche Hörspiele erstaunliche Ähnlichkeit zu den "Ladybirds" besitzten. So ist z.B. Folge 14 "Der feurige Eisvogel" eine verlängerte, mit zusätzlichen Sequenzen und Charakteren versehene Version des Buches "Skeletors Eisblockade". Ein Grund hierfür ist, dass Hsp-Schreiber H.G. Francis auch einige der Ladybird Bücher geschrieben hatte und so manches Mal von sich selbst abgeschaut hatte.
Auch die allgemeine Grundstimmung der Hörspiele unterschied sich oftmals stark von der, welche im Cartoon übermittelt wurde. Während sich der Zeichentrick relativ schnell von der Fantasy in Richting Science Fiction bewegte, dominierte in der Hörspielserie noch sehr stark der sogenannte "Sword & Sorcerey" Stil, welcher sehr gut von Conan bekannt ist (der ja geistiges Vorbild für MotU war). Wie schon erwähnt lief bei EUROPA H.G. Francis eigene "Gruselserie" für Kinder, und so verwundert es nicht, dass auch bei den Masters Hörspielen des öfteren eine gute Menge Düsternis und Schauer Einzug fand, wodurch manche Folgen sogar schon fast in Richtung "Dark Fantasy" tendierten. Im Lauf der Zeit ging dies zwar zurück und die Geschichten näherten sich mehr dem Stil des Cartoons. Dennoch blieb die Reihe stets fantasylastiger, indem immer wieder Magie und Zauberei und uralte, geheimnisvolle Relikte und finstere Dämonen Verwendung fanden.
Natürlich mussten sich die Geschichten dennoch in einem gewissen offiziellen Rahmen bewegen, den Mattel vorgab. Und so fanden viele Elemente selbstverständlich sowohl in den europäischen als auch in den US Storys eine Erwähnung. Man stiess in den Hörspielen auf sämtliche bekannten Orte und Bereiche Eternias: Vom Vine Jungle über die Wüste der Zeit (Sands of Time) und Ebene der Ewigkeit (Plains of Perpetua) bis zu den Mystic Mountains. Ja, selbst die Berserker Inseln und das Meer der Harmonie wurden erwähnt (Folge 4 "Der unbezwingbare Drache"). So ganz zusammenhangslos waren sie also doch nicht, die verschiedenen klassischen Geschichten. Der Teufel steckte nur eben ganz einfach im Detail.
Nicht verpassen: lest heute um 20:30 Uhr "EUROPA - Eine Firma schreibt Geschichte (Teil 2)"